Ein Projekt, das uns in heutiger Zeit mangels eines geeigneten Grundstückes mit Quelle oder Grundwasser bisher noch versagt blieb, gelang den Stollhofern vor 116 Jahren.
Am Sonntag, dem 16. Februar des Jahres 1908, hielt der Verschönerungsverein Stollhof im Gasthaus Josef Zierhofers eine Versammlung ab. Dem Verein gehörten sämtliche Wirtschafts- und Hausbesitzer des Ortes an. Der wichtigste Punkt der Tagesordnung war die „Errichtung eines Bades“. Als Obmann des Vereins fungierte der Oberförster Heinrich Schlegl. Der Lokalpolitiker verstand es, mit blumigen Worten für das Projekt zu werben: „Stollhof ist so herrlich gelegen, dass es gewiss in ganz Niederösterreich keinen zweiten Ort mit dieser Lage und dem großartigen Panorama, welches sich dem Auge des Naturfreundes von der Hohen Wand aus darbietet, geben wird.“ Die Luft sei weder von Rauch noch Staub verschlechtert. Die Nadelwälder übten auf die Gesundheit der Menschen großen Einfluss aus und „verbreiten diese Wälder einen Harzgeruch, der die kranken Menschen neu belebt, sie stärkt und zum großen Teile die volle Gesundheit wiedergibt. Der Ort ist daher seiner Lage und seiner ozonreichen Luft halber ein Luftkurort ersten Ranges.“ Weiters habe Stollhof eisenhaltige Quellen, welche von der größten Heilwirkung seien, „und müssen wir Stollhofer daher bemüht sein, zu unserem Wohle die Quellenkräfte materiell auszunützen, respektive den Stärkung suchenden Menschen zugänglich zu machen, indem wir ein Bad errichten.“ Durch Errichtung eines Bades aber sei der Grundstein zum Aufblühen Stollhofs und zum dereinstigen Luft- und Wasserkurort gelegt.
Von der Überzeugungskraft des Försters mitgerissen, beschlossen die Mitglieder den Bau des Bades "mit Stimmeneinhelligkeit“ und übertrugen dem Stollhofer Baumeister Franz Wedl die Ausführung. Dem Obmann Heinrich Schlegl sprach man einstimmig den vollsten Dank für die großen Verdienste aus, die er sich um die Gemeinde Stollhof erworben hatte und schloss die Versammlung mit dem Wunsch: „Unser schönes Stollhof möge blühen und gedeihen.“
Tatsächlich bauten die Stollhofer noch im selben Jahr auf der „Badwiesen“ (heute Haus Jordan) ein Schwimmbecken. Am 23. August 1908 veranstaltete der Verschönerungsverein dort anlässlich des 60-jährigen Kaiserjubiläums eine große Feier. Um 2 Uhr Nachmittag fand ein Festzug aller Vereine des Ortes zur neu errichteten Badeanstalt statt, und der Lehrer Josef Lewisch hielt eine Festrede. Danach begaben sich die Stollhofer zum Gasthaus Zierhofer, wo man ein Gartenkonzert der Kapelle Kühbacher mit Tanzkränzchen und Liedervorträge des Stollhofer Männergesangsvereines „Sängerlust“ abhielt. Der Eintritt zum Gartenkonzert betrug 60 Heller, zum Tanzkränzchen 80 Heller (heute ca. 4 Euro). Der Reinerlös kam dem Verschönerungsverein zugute.
Die Vision eines Kurortes Stollhof hatte man trotz des Enthusiasmus des Obmannes des Verschönerungsvereines jedoch nicht verwirklichen können oder wollen. Vielleicht verhinderte auch
der frühe Tod des Försters nur wenige Monate nach Fertigstellung des Bades den weiteren Ausbau.
Das Schwimmbecken bestand bis in die 1950er Jahre, war aber zuletzt wohl schon baufällig und konnte daher nicht mehr genutzt werden. Leider ist uns kein einziges Foto des Bades bekannt. Sollte jemand weitere Informationen haben oder gar Bilder besitzen, freuen wir uns sehr über Rückmeldungen!
Quellen:
Wiener Neustädter Zeitung, Ausgaben 4. März 1908 und 22. August 1908
Schulchronik Stollhof
Text: Ulrike Heißenberger
(Neuigkeits) Welt Blatt, 29. Oktober 1908; Neues Wiener Journal, 12. und 16. Mai 1912 ; Neues Wiener Tagblatt, 3. Juni 1911
Baumgartners Schwimmbad - Loderhof - Hohe Wand, um das Jahr 1930